Gedanken zur Diskussion über die Impfpflicht von Pflegekräften. 

Zwei Mitarbeiter, die nicht genannt werden wollen – auch das ist ein Zeichen, wie überhitzt diese Diskussion ist – unterhalten sich: "Ich stell mir vor, ich sitze im Impfzentrum und warte, bis ich endlich dran bin und geimpft werde. Aber alle Leute um mich rum kommen vor mir dran. Und plötzlich heißt es, man mache jetzt zu. Und ich bekomme meine Impfung nicht." Die andere antwortet: "Und ich stelle mir vor, ich sitze in einem Behandlungszimmer, der Arzt kommt immer näher, die Impfspritze in der Hand. Ich sage immer wieder, nein, das will ich nicht, aber er beachtete mich nicht. Grauenvoll!

Die Mehrheit der Deutschen will sich impfen lassen

Für die einen ist das Impfen die einzige Möglichkeit wieder zur Normalität zurück zu kehren, für die anderen ist es ein Versprechen mit großen Risiken. Zwar will sich die Mehrheit der Deutschen impfen lassen, aber es gibt und wird immer auch Menschen geben, die sich nicht impfen lassen wollen. Jeder kann hierzulande frei entscheiden, ob er sich impfen lassen will oder nicht. Auf den ersten Blick erscheint die Forderung nach einer Impfpflicht für Pflegekräfte einleuchtend. Aber genau dieser Blick ist das Problem. Vieles, mit dem die Forderung begründet wird, basiert nicht auf gesicherten Fakten, sondern auf eher vagen Annahmen.

Könnten Viren trotz Impfung übertragen werden?

Zum jetzigen Zeitpunkt weiß man noch gar nicht, ob Geimpfte nicht trotzdem auch Überträger des Virus sein können, obwohl sie selbst weitgehend vor einer Erkrankung geschützt sind. Bei einer Diskussion über eine Impfpflicht sollte dieses Hauptargument aber durch wissenschaftlich stabile Erkenntnisse gestützt werden. Als im vorletzten Jahr die Impfpflicht gegen Masern für Mitarbeiter in Kitas, Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen eingeführt wurde, galt es als wissenschaftlich gesichert, dass eine Impfung auch dazu führt, dass man das Virus nicht überträgt. Bei dem Corona- Virus könnte dies auch der Fall sein, aber sicher ist es eben nicht.

Der Blick der Pflegebedürftigen auf die Diskussion

Betrachtet man all dies allerdings aus der Sicht eines Pflegebedürftigen, erscheint die Impfpflicht eigentlich ziemlich logisch. Es ist doch viel beruhigender, wenn man als Pflegebedürftiger nur von Menschen umgeben ist, die auch geimpft sind. Auch wenn noch nicht erwiesen ist, dass eine Übertragung des Virus durch eine Impfung ausgeschlossen ist. 

Was Arbeitgeber bei einer "bereichsbezogene Impfpflicht" beachten müssen

Arbeitsrechtlich hätte eine gesetzliche Impfpflicht zum Teil schwerwiegende Konsequenzen. Gäbe es eine gesetzliche Impfpflicht und eine Pflegekraft würde sich trotzdem nicht impfen lassen, dann dürfte der Arbeitgeber sie auch nicht mehr in der Pflege einsetzen. Sollte es innerhalb des Betriebes keine andere Verwendung für die Pflegekraft geben, kann er eine sogenannte personenbedingte Kündigung aussprechen oder sogar eine (fristlose) verhaltensbedingte Kündigung. Dies ist weder aus Sicht der Pflegekräfte, der Arbeitgeber und schon gar nicht aus Sicht der Pflegebedürftigen zielführend. Die Pflegekräfte sind seit Jahren und insbesondere aktuell ein knappes und unschätzbares Gut. "Beiße nicht die Hand, die Dich füttert beziehungsweise pflegt, heißt es. Darüber sollte sich jeder bei seiner Argumentation im Klaren sein.

Bitte die Pflegekräfte nicht unfair behandeln

Jeder, der sich nicht impfen lassen will, hat seine eigenen Gründe. Eine verfrühte Diskussion über Impfpflicht droht diese zu ignorieren und Ängste eher weiter zu schüren. Mit den Bedenken und Ängsten von Gesundheitspersonal gegenüber einer Impfung muss ebenso sensibel umgegangen werden wie beim Rest der Bevölkerung. Warum aber sollte man deshalb Hunderttausenden Pflegekräften eine Pflicht auferlegen und so ihre körperliche Integrität verletzen? 

Gerade jetzt, mit vollen Intensivstationen und noch nicht ausreichend verfügbaren Impfdosen ist die Zeit für diese Diskussion denkbar ungünstig.